Die Sage vom Sternengucker
Im Jahre 1796 kehrte der Uhrenhändler Jakob Kammerer, von Prag kommend, in seine geliebte Heimat zurück.
Doch was er vorfand, ließ sein Herz schwer werden: Sein väterliches Haus am Roßberg war von französischen Soldaten in Schutt und Asche gelegt worden.
Trotz aller Not ließ sich Jakob nicht beirren. Nach dem Abzug der fremden Heere errichtete er das Anwesen mit eigener Kraft neu.
Auf dem Dach seines Hauses montierte er ein seltsames Gerät: ein geheimnisvolles Guckrohr, das er aus Prag mitgebracht hatte.
In dunklen Mitternachtsstunden saß der eigenwillige Jakob oft vor seinem Guckrohr und richtete den Blick gen Himmel als schaue er direkt in die Werkstatt des Herrgotts.
Die Menschen im Städtle mieden ihn zunehmend. Sein finsterer Blick und die unheimlichen Geschichten, die sich um sein Haus rankten, erfüllten sie mit Furcht.
Man munkelte, der Teufel selbst mit langem Schwanz und glühenden Augen sei in seinem Haus gesehen worden.
Wenn eine Kuh keine Milch mehr gab oder ein Unglück im Stall geschah, war schnell klar, wer daran Schuld trug: der Sternengucker auf dem Roßberg.
Es hieß, er melke die Kühe heimlich aus der Ferne, mit dem Handtuch!
Es war eine wunderliche, eine sagenhafte Zeit.
Trotz aller Verdächtigungen ließ sich Jakob Kammerer nicht beirren. Nacht für Nacht blätterte er in seinen „Teufelsbüchern“ und beobachtete durch sein Guckrohr die erhabene Pracht des Himmels.
Unbeschwert von allen Menschen, Erdenleid und fern von allen Vorurteilen lauschte er der tausendtönigen Symphonie der Sterne.
Jahr um Jahr betrachtete er das Stirb und Werde des Himmels, bis uhrnachts seinen Geist umschattete.
Fern seiner Bergheimat, verlosch schließlich das stille Irrlicht des Sternguckers.
Als der Sternengucker Jakob Kammerer verschwand, blieb im Hohwald eine Leere zurück eine Stille, die nach Leben rief.
Durch das vergangene tun des Sternguckers erhob sich Aus den Tiefen des Waldes der Hohwalddeufel ein raues, uraltes Wesen, geboren aus den Ängsten und Träumen der Menschen.
Mit ihm kam die Wälderschnäpf, leichtfüßig und schelmisch, eine Botin des Windes und der wilden Wasser.
Seither durchstreifen sie den Hohwald, verborgen im Nebel, verborgen im Rauschen der Bäume.
Wer genau hinhört, mag ihr Flüstern vernehmen und ahnt, dass manche Geschichten nie enden, sondern weiterleben im Herzschlag der Natur.